AUF
DER FLUCHT
Ich stehe irgendwo mit
dem Auto und weiß den Weg nicht mehr zurück nach Hause... wie peinlich. Schalte
mein Handy ein, um den Weg zu finden…und bin erleichtert, als alles gefunden
ist und fahre los. Mit dem Fahren kommt die Erinnerung…aber nicht der Mut, ohne
Wegweiser zu fahren, sehr unangenehm -
ich wohne hier nun seit fast 5 Jahren – und nun das…
Mitten in einer
Unterhaltung fehlen mir praktisch die Worte, die ich eben noch wusste und weiß
sie nicht mehr. Weiß nicht mehr, worum es ging, was das Thema war und was ich
eigentlich sagen wollte…sogar die Namen meiner mir gegenüber fallen mir gerade
nicht ein und ich benenne nichts, aus Angst, sie falsch zu benennen und halte
den Mund.
Ich stehe in der Küche
und will kochen, doch mir fällt nicht mehr ein, wie das noch geht. Sachen und
Dinge und Namen, die ich jahrelang kenne und wusste, sind verschwunden, nicht
mehr da und greifbar für mich.
Ich baue mir
Eselsbrücken, um den Alltag durchstehen zu können, schreibe alles auf
Zettelchen auf - scheiter jedoch oft. Verabredungen kann ich oftmals nicht
einhalten, weil ich nicht mehr kann, erschöpft bin, oftmals ohne Grund einfach
Ruhe brauche, mich hinlegen und alleine sein muss – so verliert man
„Freunde“…oder solche, die es hätten werden können - unerklärbares und
bescheuertes Verhalten für die „Anderen“, die, die es nicht wissen.
Immer erklären zu
müssen, warum dies oder jeden gerade nicht so geht, ein „eingeschränkt sein“ in
einer „Behinderung übergeht“, ohne erklärlichen Grund.
Ich schäme mich für
das, was ich zurzeit in den Händen halte; Scherben meines Lebens, Scherben
meines Selbst – ich habe die Kontrolle verloren –
Ich fürchte mich vor
vielen Menschen, fühle mich angestarrt -
U-Bahn fahren endet in einer Panikattacke, schwitzend und herzklopfend gehe ich
schnell aus dem Bahnhof heraus, ohne eine Chance allein sein zu können, weil
überall um mich herum Menschen sind, ich mich unwohl fühle und irgendwie blind.
Der Schweiß rennt mir von der Stirn, meine Hände zittern, ich will nur noch weg
und kann es nicht, weil die Frau neben mir, sich nun eine Tour durch Hamburg
ersehnt, die Stadt kennen lernen will – und ich nur weg.
Es ist mir unangenehm;
Tränen laufen mir unbemerkt die Wangen herunter, ich versuche es mit der Sonne
zu erklären, die mir in die Augen scheint, trotz Sonnenbrille.
Lebensfähig zu sein ist
mein einziger Wunsch.
Wieder leben zu können.
Jeden Tag.
Mit Plänen und Ziele
und Wünschen und Träume vor Augen zu haben, Familie, Eltern , Geschwister und
Freunde haben, lieben und ertragen zu können – ohne mit dem Wissen verurteilt
zu sein, dies alles so nie wieder haben zu können. Dies ist nicht mein Leben,
wird es nie wieder sein. Schreiben kann ich plötzlich nicht mehr, so viele
Rechtschreibfehler schleichen sich ein, ohne dass ich sie bemerke schreibe ich
weiter, Word dankend für die Erkennung dieser - Scherben meines Lebens in den Händen haltend,
die meine Hände blutend machen, so dass ich endlich wieder etwas spüren – etwas
leben kann. Ich habe keine Narben von bewussten Verletzungen, ritze mich nicht
und schneide mich nicht, ich habe kein selbstverletzendes Verhalten. Es
erreicht mich nur nichts mehr und das einzige, was mich am Leben hält, ist die
Verantwortung.
Und selbst die wird mir
oftmals schwer, dabei liebe ich sie so sehr und würde für sie sterben, dabei
muss ich für sie leben, jeden Tag, egal wie schwer das auch sein mag.
Und weiß dann, dass die
Worte „ich kann nicht mehr“ so viel mehr Echo haben, als Bedeutung…
Ich kann nicht mehr
haucht einem Menschen kein Leben mehr ein, weil der tot sich schon irgendwie
breit gemacht hat, auch wenn er atmet, fühlt er nicht.
Eine endlose Reise des
Ertragen müssens, mit Existenzängsten gepaart, als hätten man nicht schon genug
Ängste in seinem Leben ertragen und haben müssen.
Nun kommen Menschen
daher, die einen begutachten müssen. Die oftmals Geschichten wie meine lesen,
empathisches Mitgefühl empfinden, aber nicht wissen, wie es ist mit so einer
Pein leben und jeden Tag wieder aufstehen zu müssen. Beurteile bitte dieses
Leben, was meines ist, aber kein Leben mehr ist; eigentlich. Für die Rente
hatte ich 4 Monate; die Rentenversicherung sah es und gab sie mir:
Erwerbsminderung , sogar auf Dauer -
ohne weiter nachzufragen - mit knapp 40 Jahren – das war für mich kaum zu
ertragen, war es doch auf dem Papier festgehalten, ich kann dieses Leben als
Leben nicht mehr leben, weil meine Beeinträchtigungen zu beeinträchtigend
sind…um normal weiter arbeiten gehen zu können…und alles nur, weil mir 10 Jahre
genommen wurden, als Jugendliche und als kleines Kind, die Zeit von sechs bis
achtzehn blieb irgendwie steh´n..und ich war dann auch nicht mehr zu sehen…
Oder wie kann man etwas
beurteilen, was gar nicht ist!? Und jedes einzelne Hindernis an Behinderung
wird mit einem anderen zusammen getan, weil sonst das Gutachten nämlich keines
mehr ist und nur noch eine Reihe schlimmer Umstände einer langen und
unaufhaltsamen Liste erhört, für die es kein Urteil gibt, außer das, das es
kein Leben ist für ein Leben, was quasi schon zu Ende ist… bitte, sieh genau
hin: es ist so viel an Emotionen und Pein und Angst – also nimm mir doch bitte
diese Angst der Existenz und gib mir die ganzen 100 Prozent, so dass ich mich
um diese nicht mehr sorgen muss, es nicht mehr mit 100 Euro am 15ten bis zum
Ende des Monats reichen muß…ich mich beim Einkaufen nicht mehr wie ein Bettler
fühlen muß…
Ich kann nicht mehr
arbeiten gehen. Nicht weil ich nicht mehr will, sondern weil das „nicht können“
mir meine eigenen Grenzen und die facettenreichen Fratzen aufzeigt, die kaum
auszuhalten sind. Nicht ertragbar sind. Nicht leb bar.
Ich verdiene kein Geld
mehr.
Ich bin zu Hause.
Nicht mehr gesellschaftsfähig.
Erwerbsgemindert. Vollständig.
auf Dauer und für immer.
Beeinträchtigt.
Behindert!?
Ich bin ...
bin ich eigentlich!?
Eigentlich doch nicht.
Irgendwie bin ich auf
der Flucht. Vor mir selber. Diesem Leben. Dem Aufstehend und Weggehen, dem
Einkaufen und meinen Kontostand sehen… ich habe kein Einkommen – Existenzangst
überleben und bestehen, jeden Tag auf s Neue – dabei habe ich so gekämpft, um
ein Leben zu haben… was „vorzeigen“ zu können, was „ in der Hand“ zu haben, für
meine Kinder, für alle..und für mich, irgendwie zumindest…
Und nun stehe ich da,
habe nichts. Kein Einkommen, Kein Auskommen. Bin krank, irgendwie. Normalität
nicht erreichbar für mich. Unerklärbar für Nicht Betroffene, oftmals sogar
unerklärbar für mich.
Ich krieg es nicht hin,
das Telefon zu nehmen und jemanden anzurufen, Anrufe ertrage ich oftmals nicht
– telefonieren geht nur selten.
Ich habe Angst. Angst,
dass ich vergesse, mit wem ich gerade telefoniere. Angst, dass ich vergesse, worum
es bei diesem Telefonat geht und Angst, dass ich vergesse, worum es gerade geht
oder wen ich überhaupt gerade anrief. Lustig, oder!? Habe es gerade doppelt
geschrieben und es nicht bemerkt, na ja, ich lasse es nun so stehen –
vielleicht vergesse ich ja diesen Schmerz…
Selbst raus gehen und
spazieren gehen ist oftmals schlimm, weil ich lieber auch dabei alleine sein
will. Unsichtbar sein wäre es dann…einfacher für mich.
Mein Leben. Oder
zumindest das, was übrig geblieben ist. Lohnt sich nicht.
Ich bin müde und
erschöpft. So müde, will nur noch schlafen und lege mich in mein Bett. Versuche zu schlafen;
drifte langsam weg…diese Gedanken, die mich nicht schlafen lassen, immer wieder
kommen, wieder leben zu schaffen. Ich will Normalität, normal sein, so ganz für
mich und natürlich für meine Kinder. In den Urlaub fahren. Normal einkaufen
gehen und Rechnungen bezahlen…arbeiten gehen und Freunde haben, nicht
vergessen, dass ich mich mit ihnen verabredet habe. Oder abzusagen, weil ich
nicht kann, 10 Minuten vor dem Treffen…
Ich halte mich
aufrecht, weil ich es muß.
Meine Kinder halten
mich aufrecht, sie sind mein Anker, halten mich hier und jetzt am Leben – auch
wenn ich dies nicht mehr so bezeichnen mag.
Briefe schreiben wird
zur Qual, jedes Öffnen des Briefkastens lässt mich hoffen, dass es nicht etwas
ist, wo ich drauf antworten muß. Und bin erleichtet, wenn ich ihn schließe und
nichts geschrieben werden muß.
Mich erreicht Fröhlichkeit
nicht mehr, Freude…glücklich sein – das Leben tagtäglich zu leben überfordert
mich und hält dies alles zurück. Ich
kann es nicht empfinden, wenn ich doch Angst habe zu fühlen. Nähe zu Anderen
ertrage ich kaum, fühle mich dann eingesperrt, auch in einem freien Raum.
Erkenne mich oftmals
nicht wieder und will mein altes Leben wieder, wo ich noch dachte, ich kann und
werde alles schaffen, wo ich fröhlich war und lachen konnte – auch wenn in mir
die Atombombe tickte, unhörbar für mich, leise, zum Endpunkt hin tickte…
Mein Atmen fällt mir
oftmals schwer, Asthma, ohne Grund - ich fühle mich wie ein Hypochonder…ich
habe Schmerzen, ohne das was zu finden ist. Kann mich kaum bewegen, wenn ich
mein Schmerzpflaster vergesse, was ich seit nun fast 7 Monaten nehme. Ich bin
nicht mehr ich, weiß aber auch nicht, ob ich das jemals war.
Kann wieder nicht
schlafen. Und bin doch so müde, von diesem ganzen Scheiß in meinem Leben. Gib
mir einen anderen Körper, ein anderes Leben, dieses hier will ich nicht mehr.
Ertrage es einfach nicht mehr, es ist ein Weg ohne Wiederkehr.
Ich möchte mal Liebe
leben und fühlen, einfach so und ohne Grund. Ich will in den Arm genommen
werden, ohne das ich Angst habe, verletzt und dann wieder verlassen zu werden.
Ich möchte an einem
Tisch mitten im Raum sitzen können, ohne Angst zu haben, dass hinter mir was
passiert, was mir schaden kann, wie ich es nicht sehen kann.
Ich will einfach mal
was kaufen können, ohne daran zu denken, dass ich in 5 Tagen davon noch Essen
kaufen und kochen muß.
Ich will schwimmen
gehen, ohne mich dafür zu schämen, wie mein Körper durch meine Schilddrüse aus
der Form gerutscht ist. Ohne angestarrt zu werden.
Ich möchte wieder was
sagen und es einhalten können, Termine
machen und einhalten können. Telefonieren können ohne Angst.
Ich will Leben und
leben können, ohne Angst, weil ich es nicht kann.
Ich will wieder „ich
will“ sagen können, ohne meine eigenen Grenzen mit „Ich kann es nicht“
bewerten, benennen zu müssen.
Leben. Frei und ohne
Angst. Normal sein. Lieben. Glücklich sein –
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