Sonntag, 4. Juni 2017

Schlaflose Nacht

Schlaflose Nacht


Wieder einmal eine schlaflose Nacht, es ist  3:04 h sonntagmorgens und ich bin gerade aufgestanden -  kann wieder einmal nicht schlafen, obwohl ich nicht nur müde, sondern auch echt erkältet bin und seit über 2 Stunden versuche, zur Ruhe zu kommen, zu schlafen!

So viele Ereignisse entknoten sich etwas, lassen etwas mehr, wenn auch noch eine gewisse ´verkrampfte´ Gelassenheit zu - nach 9,5 Jahren Kampf um Anerkennung, um Recht in Bezug auf das OEG - bezüglich des an mir verursachten mannigfachen Missbrauchs in meiner Kindheit und Jugend.

Im Dezember 2008 habe ich das OEG beantragt und mehrmals WIDERSPRUCH einlegen müssen -  damit es weiter bearbeitet wird, insgesamt drei Gutachten, Zeugenaussagen und sämtlicher angeforderter Zeugniskopien sowie zahlreiche ärztliche Atteste einreichend später, inklusive einer fast zweijährigen Untätigkeitsklage, wurde nun am Sozialgericht ein Vergleich geschlossen, der mir nach fast 9,5 Jahren einen Grad der Schädigung (GDS) von 70 zu erkennt.

Ich spüre darüber noch keine Freude, keine Erleichterung… ich muss dies erst „schwarz auf weiß“ sehen, um zu wissen, nun ist es offiziell und der Kampf war zu lang, zu nervenaufreibend, um nun einfach nicht mehr daran zu denken, was es mit mir gemacht hat.

Ich habe Recht bekommen und es wird mir geglaubt - obwohl ich ´weiß´, dass das alles so passiert ist und ich nicht nur glaubwürdige Gutachten habe, sondern auch Bestätigungen von Ärzten und Therapeuten, traue ich immer noch nicht meiner Wahrnehmung, die mich in Erinnerungen schickt und mir Flashbacks serviert und mir so viele zahlreiche Symptome bietet, um mir selber auch endlich ganz und gar zu vertrauen... 
aber oftmals fühlen sich diese Erinnerungen so fremd an, als gehören sie nicht zu mir. 
Dabei spüre ich mit jeder Faser meines Körpers, wie dieser es erinnert… Angst bekommt, gelähmt wird, Zuflucht sucht in einer Welt, die eigentlich nicht mehr wahr ist und benötigt wird -  die mich wieder kämpfen lässt, als wäre ich wieder Kind…

...aber ich schweife ab…

OEG.

Das Opferentschädigungsgesetz ist früher das ´Kriegsopferfürsorgegesetz´ gewesen und ist für Opfer von Gewalttaten gedacht, um sie für eingetretene Schäden zu „ent-schädigen“.

Wobei dabei nicht beachtet wird, dass nicht nur unzählige Anträge kaum ausgefüllt werden können, weil zu umfangreich gefragt wird und viele Betroffene von sexueller Gewalt den Mut verlieren -  weil sie dadurch retraumatisiert werden  und auch oft nicht um Hilfe diesbezüglich bitten können - sondern auch, weil viele dieser Fragen einfach nicht einfach genug gestellt werden und die betroffenen Menschen zu stark traumatisiert sind oder zu stark an den Folgen eines Missbrauchs leiden (oder beides!) , um dies alles „normal“ beantworten zu können.

Laut einer Statistik werden so viele Anträge abgelehnt, dass nur eine Handvoll Betroffener übrig bleibt, die  - laut des jeweiligen Versorgungsamtes - dann ebenfalls noch „ausgesiebt“ werden, die dann auch wirklich Leistungen bekommen - nach oftmals vielen Jahren eines Kampfes mit Hilfe von Anwälten!

Dies bedeutet, dass nur wenige wirklich eine Unterstützung bekommen und mit den Folgen des Missbrauchs alleine gelassen werden und oft am Existenzminimum leben müssen, weil viele entweder nur teilweise arbeitsfähig sind und wenige Stunden arbeiten gehen oder komplett auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente angewiesen sind, weil gesundheitlich wirklich gar nichts mehr geht.

Viele Betroffene haben ebenfalls solche starken Lebensbeeinträchtigungen, dass sie es kaum schaffen, ohne eine Betreuungs- bzw. Pflegekraft ihren Alltag zu meistern.
Dabei geht es dann nicht nur um zum Teil starke gesundheitliche Einschränkungen, sondern auch um so dermaßen schlimme finanzielle Beeinträchtigungen, dass einige aufgrund der psychischen und seelischen Umstände den Kampf um das OEG aufgeben oder sogar Suizid begehen, weil es einfach keine Hoffnung mehr für sie gibt!

Eine traurige Bilanz - vor allem wenn man davon ausgeht, dass die meisten Täter davon kommen, jemals angeklagt zu werden und weiterhin unbeschadet leben können - ohne jemals auch nur etwas zur Verantwortung gezogen zu sein!

Betroffene sexueller Gewalt leiden unter den Folgen - bewusst oder unbewusst - ein Leben lang!

Dass gesundheitlichen Einschränkungen oftmals Folgen eines erlebten Missbrauchs sind, wird weder von Ärzten noch von den Betroffenen selber erkannt, geschweige den von der Gesellschaft „gesehen“.

Nicht nur, dass man selber damit zu kämpfen hat, sich eingestehen zu müssen, nicht mehr  - und in keinster Weise - zu „können“ - auch im eigenen Umkreis (Freunde, Verwandte, Bekannte, Arbeitskollegen) ist es schwierig, das einem „geglaubt“ wird. 

Oftmals wird nur gesagt, „das wird wieder“, „streng dich nur an“ oder „du musst es nur wollen“ usw.  - dann „läuft es auch wieder“… aber das das genau das ist, was nicht funktionieren wird, weil es „halt immer irgendwie lief“, versteht kaum einer.

Das Unverständnis ist groß und ´verletzt´ ebenfalls, weil es für einen selber auch einfach unverständlich ist, was da mit einem passiert -  und die Einschränkungen einfach so lebensbeeinträchtigend sind, dass es nun wieder um ein „überleben“ geht - so viele Jahre oder sogar Jahrzehnte nach einer schlimmen Gewalttat!

Ärzte sind oftmals sehr überfordert und nur sehr wenige kennen sich mit den Folgen sexueller Gewalt so gut aus, um den Patienten ggf. danach zu fragen und auch wirklich eine Hilfe zu sein. 

Was noch dazu kommt ist, dass die Scham von betroffenen Menschen oftmals immer noch so groß ist, dass eine Erkrankung weder in Zusammenhang gesetzt wird mit einer Gewalttat, noch gesehen wird.

Ein Grund dafür ist immer noch, dass zwar Missbrauch mittlerweile „offiziell“ (Medien etc.) benannt wird - die Folgen dessen aber immer noch „versteckt“ gelebt werden in unserer Gesellschaft, weil gerade und speziell psychische Erkrankungen und Einschränkungen weder richtig ernst genommen noch gerne richtig gesehen werden.

Dies ist ein weiterer Grund für die Schwere der OEG-Sache - Sachen und Dinge, die nicht „gesehen“ werden können, gibt es nicht - und wenn es sie gibt, gehen sie ja schnell wieder weg - also, mache mal: Therapie, Therapie, Therapie!

Demzufolge habe ich nun auch bereits mitgeteilt bekommen, dass es im Mai 2019 eine Nachuntersuchung geben wird, ohne mir einfach mal etwas Zeit zu lassen, zur Ruhe zu kommen… nach dieser ganzen langen Zeit.


Nun warte ich auf einen schriftlichen Bescheid, dass meine Erlebnisse  anerkannt werden, ich Recht bekomme…  



und bin mal trotz allem angespannt gespannt, was weiter passiert!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen