Freitag, 26. Oktober 2018

LIEBE

Liebe....

Liebe.
Was für ein einfaches, schönes Wort mit so viel Inhalt, Variationen, Möglichkeiten, Erfahrungen und Gefühle...

Ich liebe dich zu sagen, ist wunderschön - es zu hören auch.
Leider wird es oftmals benutzt, um jemanden zu gewinnen, oder auch Verletzungen wie Fremdgehen, Trennungen oder anderes zu überdecken...ich liebe dich, auch wenn ich mit ihm/ihr Sex hatte - das bedeutet nichts. Ich liebe dich. Große Worte, einfach zu missbrauchen und viele tun dies leider viel zu oft. Ich liebe dich, aber ich kann nicht mit dir zusammen sein, weil... ich liebe dich, aber ich kann das Kind nicht mit dir bekommen, ich bin nicht bereit, Vater zu sein.... ich liebe dich, aber ich bin nicht so, wie du mich brauchst, um glücklich zu sein...ich liebe dich...jetzt...für immer....aber ich muss zurück in mein Leben--ich liebe dich und diese Gefühle machen mir Angst...Liebe...
Jemanden zu lieben, ganz individuell und ganz neutral betrachtet, jemanden so anzunehmen, wie er/sie ist - das ist Liebe für mich. Ich nehme jemanden an, so, wie er/sie ist, mit allen Entscheidungen, allen Macken, allen Eigenarten und mit diesem Leben, was die Person gerade führt - das weiß ich jetzt ;-) Damals dachte ich, jeder muss sich verbiegen, um Liebe und ein Leben zusammen zu führen... Liebe bedeute, einander gut zu tun...nicht mehr, nicht weniger (für mich)...

Ich liebe dich habe ich schon oft gesagt in meinem Leben - und es auch immer so gemeint, egal zu wem ich es sagte.

Mit den Jahren wird man wählerischer, denke ich, man sagt es nicht mehr so oft - zu viele Verletzungen wurden ertragen, zu oft enttäuscht!? Ich weiß es nicht, vielleicht liegt es auch einfach daran, dass - wenn ich für mich spreche - mich etwas zurück gezogen habe und erst einmal Zeit für mich brauchte, um mich besser zu finden...

Liebe kann verletzen, beflügeln, gut tun...
Ich habe alles davon schon erlebt, was schön ist, weil es so eine Erfahrung lehrt und die Möglichkeit, dies zu unterscheiden zwischen, ich liebe dich oder ich hab dich lieb oder auch einfach nur, ich mag dich...oder es ist jetzt okay, für jetzt, in welcher Form auch immer. Und Liebe kennt kein Geschlecht und keine Grenzen. ..Liebe ist!

Mit 14 lernte ich einen Jungen kenne, Mike...ich mochte ihn sehr und wir versuchten, uns so oft wie möglich zu treffen, auch wenn wir weit voneinander entfernt wohnten. Mike war ein toller „erster“ Freund, wir hielten Händchen, küssten uns auch... sonst passierte nichts. Mike war drei Jahre älter und ein wirklich wunderbarer Mensch. Trotz meines erlebten Missbrauchs hatte ich nichts gegen Jungs, junge Männer und ich mochte Mike und wir waren fast vier Jahre zusammen, ohne das „was“ passierte - für alle die, die das interessiert ;-) Ich hatte keinen Bezug zu Körperlichkeiten, ob es wegen dem Missbrauch war, weiß ich nicht, aber ich vermute, ich habe dies alles so weit abgespalten, dass es damals irgendwie keine Rolle spielte, es wie in einer Parallelwelt war. Trotzdem hat es mich natürlich beeinflusst, unbewusst...
Alle meine „FreundInnen“ damals hatten ihr „erstes Mal“ mit dreizehn, vierzehn etc., aber ich nicht. Irgendwann - im März vor meinem 18. Geburtstag - dachte ich, „es“ müsste nun so sein und Mike und ich „verabredeten“ einen Tag bei ihm zu Hause, mit Sekt, Kerzen und 50er Musik, weil wir die damals so mochten...und verbrachten den Tag zusammen: Ernüchterung...ich hatte Schmerzen, Mike keinerlei Erfahrungen und wir waren beide von dem „keine Sterne sehen“ erst einmal durch mit der körperlichen Erfahrung...nach weiteren Wochen brachen wir auseinander, ich konnte die Nähe nicht mehr aushalten, konnte dies aber damals nicht erklären oder in Worte fassen. Mike konnte das alles und er versuchte, mich zurück zu gewinnen; wir hielten aber nur noch lockeren Kontakt.
Mike ist leider schon lange tot, er hat sich mit 30 Jahren im Jahre 2000 das Leben genommen, da war ich gerade schwanger mit meinem dritten Kind und zu seiner Beerdigung zu gehen und seine Familie etc. so wieder zu sehen, war schwer. Aber ich musste dahin, Abschied nehmen... auch das war Liebe, eine tiefe freundschaftliche...
Meine „erste Liebe“ war ein junger italienische Mann, Michele... ich mochte ihn sehr, war verknallt. Als ich nach Amerika ging, ließ ich ihn zurück und er war wütend auf mich...ich liebte das Zusammen sein mit ihm, die Unternehmungen, seine Familie. Aber auch hier waren Körperlichkeiten einfach nicht so meins und ich versuchte, dies so weit es geht zu vermeiden... Wir waren ungefähr acht Monate zusammen, was schön war und ich vermisste ihn auch, aber ich musste nach Amerika als AuPair gehen, weil ich zu Hause raus musste und trennte mich von ihm, was sehr weh tat... auch das war Liebe, auch wenn ich sie gehen lassen musste. um selber überleben zu können...wie auch immer...

Nachdem ich in Amerika war, lernte ich hier in Dortmund mit 22 Jahren in einer Disko (um das Klischee zu erfüllen ;-) ) meinen Ehemann kennen..und als ich ihn sah, wusste ich, dies ist der Vater meiner Kinder. Ich liebte ihn sehr, mehr als Mike oder Michele und rückblickend denke ich, dies war „es“ und es fühlte sich gut an. Trotzdem war Nähe wirklich nicht leicht für mich, trotz aller Liebe, die ich empfand und auch die körperliche Nähe, war schön...jedoch hatte ich immer Körperreaktionen danach, blutete, hatte Schmerzen im Unterleib und im Intimbereich, Infektionen und ich konnte seine Nähe nicht ertragen..was furchtbar war für mich, weil ich ihn wirklich sehr liebte. Und eine Erklärung hatte ich nicht dafür - die Ärzte auch nicht. Also wurde mir Antibiotika verschrieben, verschiedene Cremes und Salben, jahrelang...und ich ertrug es einfach so, weil es ja nun dazu gehörte, ich es nicht anders kannte, dies gehörte für mich nun zur Liebe dazu...

Er wurde der Vater meiner Kinder und alle haben seine wunderschönen braunen Augen bekommen, was mich freut. Ich habe wunderbare Kinder durch Zakiou erhalten, wofür ich ihm ewig dankbar sein werde. Leider war er nicht die Person Mensch für mich, mit der ich weiter zusammen leben konnte, wir waren einfach - in Bezug auf lebenswichtige Grundeinstellungen - zu verschieden. Nach sieben Jahre Ehe und drei Kinder trennten wir uns und nach unserer Scheidung gingen wir zusammen in ein Restaurant und besprachen, wie es nun für die Kids weiter gehen soll. Ich habe mich nicht von dem Vater meiner Kinder getrennt, weil ich ihn nicht mehr geliebt habe, sondern weil das Zusammen leben nicht mehr möglich war.
Auch das ist Liebe: sich zu trennen, obwohl man sich noch liebt, aber man besser eine Grenze zieht, bevor es nicht mehr schön ist, nicht mehr miteinander reden kann.
Ich denke, wir haben das damals ganz gut hin bekommen, schon im Hinblick auf unsere gemeinsamen Kinder, die zu dem Zeitpunkt noch klein waren. Zakiou war auch in den nächsten Jahren noch für die Kinder präsent, er hatte einen Schlüssel und konnte die Kinder sehen, wann immer er wollte bzw. wann die Kids es wollten.

Nach weiteren Jahren - mit Ende zwanzig - wurde ich von einer Freundin eingeladen, mit zum Frauenschwoof nach Bochum zu gehen und ich fühlte mich von ihr sehr angezogen. Dieses Gefühl kannte ich, weil ich dies schon immer hatte irgendwie, schon mit 12 in der Schule und dann immer mal wieder... ich dachte aber, das wäre, weil meine Mutter so scheiße war zu mir und ich mich deshalb zu (vor allem älteren) Frauen hingezogen fühlte - hier war es aber nun anders. G. war zu diesem Zeitpunkt so alt wie ich, was mich sehr irritierte; es war schön mit ihr zusammen zu sein und ich genoß es sehr. Bei diesem Frauenschwoof waren nun nur Frauen, wobei es mir damals echt schwer fiel, manche Frauen als Frauen zu erkennen und ich dachte immer nur, wenn ich auf Frauen stehe, warum ziehe ich mich an wie ein Mann oder verhalte mich so?! Verstand ich damals nicht und alles war sehr „neu“ für mich.
G. und ich tanzten und plötzlich zog sie mich an sich und küsste mich auf den Mund, mit Zunge und so und ich stand da wie perplex, wusste nicht, wie mir geschah, was ich fühlte und wo ich gerade bin....und plötzlich dachte ich, „ich will mehr“ und fühlte mich wie in einem Comic, wo mir immer wieder auf den Kopf geschlagen wurde, bis ich es endlich kapierte...DIESES Gefühl wollte, mochte ich und will ich erleben jetzt, für immer! Ich war verliebt, hatte dies aber nicht für mich realisiert und ich war so überrascht davon, dass G. mich anschaute, laut lachte und sagte: „Willkommen in deiner Welt - war dir das nicht klar?!“ Wir tanzten weiter und das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich nicht fehl am Platz oder fremd, sondern sehr stimmig und aufgenommen und genau so, wie es (wahrscheinlich) sein sollte..ich hatte das Gefühl, mich endlich gefunden zu haben - und das war echt enorm und änderte alles.

Mit G. hatte ich und habe ich noch Kontakt und dank ihr wusste ich damals, dass diese Gefühle einfach schon immer tief in mir waren, ich aber nie daran gedacht hatte und aufgrund des Missbrauchs ja auch keine Zeit für sexuelle oder persönliche Entwicklung blieb und da ich immer Kinder wollte, hatte ich nie auch nur im entferntesten daran gedacht, vielleicht lesbisch zu sein. Warum auch ?! Für mich war das nun auch nicht schlimm, eher eine Erleuchtung, die vieles gerade rückte und alles wurde „richtig“ für mich. Eine Erleichterung, mit der ich nie so gerechnet habe...aber einfach Liebe ist. Genau so und nicht anders.
Liebe ist Gefühl für einen anderen Menschen, egal welches Geschlecht der Mensch hat und dies erleben zu dürfen, ist wunderbar.
G. ist heute ein (Trans)Mann, was mehr als stimmig ist heute und es geht ihm gut - er ist nun endlich auch bei sich angekommen, was mich sehr freut!

Als ich mich dann mit Anfang 30 in einer Frau verliebte, war das ein wunderschönes Gefühl, obwohl die Beziehung mit Daniela viele Hochs und Tiefs hatte und mir viel spiegelte, was ich als Kind erlebt habe...trotzdem war es eine schöne Zeit, eine tiefe und schöne Liebe und die vier Jahre mir ihr möchte ich nicht missen, weil sie mich viel gelehrt haben und mir gezeigt haben, was ich für mich noch klären muss und was mich hindert, „ich“ zu sein; ich glaube ich wurde dadurch „erwachsener, reifer“... und ich danke Daniela dafür, wo immer sie nun auch ist....
Daniela ist 2014 gestorben, metastasierender Brustkrebs war die Diagnose...
Auch das ist Liebe, dankbar zu sein, auch wenn schwere Stunden dabei waren und Liebe dahin zu schicken, wo auch immer sie gerade ist...

Als ich meiner Oma zu Beginn dieser Liebe zu dieser Frau erzählte, sagte sie, „Na, das ist doch super! Lebe sie! Genieße es!“ und sie zwinkerte mir zu und sagte:"Kinder hast du ja schon, also mach !“ und ich war verdutzt und freut mich, dass sie sich freut für mich...
UND auch das ist Liebe, finde ich. Meine Oma war eine tolle Oma, mehr Mutter für mich als alles andere und ich danke ihr sehr dafür. Auch dich liebe ich Oma, wo auch immer du gerade bist und ich hoffe sehr, dass es dir gut geht... meine Oma ist 2008 gestorben, an Gallenblasenkrebs.

2014 traf ich dann Sandra und ich hatte das Gefühl, wie kennen uns schon - kannten uns, woher auch immer. Wir waren zusammen in einem Kurhaus, für vier Wochen und sahen uns jeden Tag. Aber wir sprachen kaum zueinander, es ergab sich einfach nicht und ich hatte wirklich zu diesem Zeitpunkt andere Sorgen, als mich auf dieses Gefühl einzulassen, was da plötzlich für sie da war. Es fühlte sich so vertraut an und gar nicht neu und irgendwie hatte ich das Gefühl, sie „endlich“ wieder zu haben und ich dachte damals, vielleicht sollte ich mich einweisen lassen, nun ist es völlig vorbei...
Sandra und ich tauschten Nummern aus und als ich wieder nach Hause fuhr, hatte ich das Gefühl, ein Stück meines Herzens ist nicht dabei, es schmerzte. Dabei war nichts zwischen Sandra und mir, außer gemeinsame Sporttermine, Schwimmstunden und Kunsttherapie und ein paar Abends mit den anderen Frauen in diesem Kurhaus.
Doch auch dies war anders, als ich dachte und zu Hause angekommen, schrieb Sandra mir - und ich ihr und die ganze Nacht hindurch, irgendwann telefonierten wir auch und sie sagte, du, ich glaube zwischen uns ist irgend etwas, vielleicht sind wir seelenverwandt!? Ich sagte daraufhin, Sandra, ich denke, das ist so viel mehr zwischen uns, als nur das und ich habe das Gefühl, dich - warum auch immer - endlich wieder gefunden zu haben, ganz so, als wärst du schon immer in meinem Leben gewesen.....Stille....Stille..ein Räuspern...Und dann sagte sie:“ Ich bin so froh, dass du das so benennst, weil...ich..ähh..ich fühle ganz genau SO!“ Danach sagten wir beide erst einmal lange nichts...und dann sagte sie“ Ich liebe dich einfach!“..und ich sagte automatisch das gleiche zu ihr, endlich froh darüber, dies mal aussprechen zu dürfen und zu können... und dies alles selber zu realisieren.
Sandra war zu diesem Zeitpunkt mit einem Mann verheiratet und da wir beide nicht lügen wollten, erzählte Sandra ihrem Mann sofort von mir, als sie nach Hause kam von der Kur und natürlich war dieser nicht sehr erfreut davon. Doch auch er merkte, dass da etwas sehr einzigartiges zwischen uns war und Sandra kam Anfang September zu mir und wir verbrachten drei schöne Tage bei mir, wobei sie natürlich meine Kinder kennen lernte. Letzteres war kein Problem, auch die vier unter sich hatten das Gefühl, sich schon immer zu kennen und verstanden sich von Anfang an sehr gut. Es passte einfach zusammen.
IM Jahre 2014/15 verbrachten wir einige Wochenenden zusammen, die Entfernung war für alles andere einfach zu groß - wir hier an der Ostsee, sie da in Duisburg. Die Zeit mit Sandra ist und war die schönste Zeit in meinem Leben und das erste Mal hatte ich kein „Enge-Gefühl“ und die Nähe zu und mit ihr störte nicht im geringsten, ganz im Gegenteil. Sandra hätte auch einfach bei uns einziehen können, ich glaube, auch das wäre unproblematisch gewesen.

Im Juli 2015 hat Sandra dann den Kontakt zu mir abgebrochen, was für mich sehr schlimm war - für sie vermutlich ebenfalls. Sie sagte damals, sie könne diese Gefühle nicht leben und das sie ihr Angst machen würden, weil sie so noch nie gefühlt hat und ihren Mann aber schuldig wäre, diese Ehe aufrecht zu erhalten.
Ich habe das alles verstanden, war trotzdem sehr verletzt und wusste aber schon im Vorfeld irgendwie, dass dies nicht ohne Schmerzen laufen würde. Und dieser Herzschmerz war einer der schlimmsten , die ich jemals erfahren habe.
Gleichzeitig bin ich Sandra dankbar dafür, da ich so lernen und sehen konnte, wie tief die Verlustangst bei mir sitzt - und wie sehr mich dies beeinflusst hat in meinem Leben.
Ich durfte lernen, diese zu verlieren und nun endlich auch loslassen zu können, ohne das es weh tut. Ich denke, diese Trennung und diese Liebe hat mir so viel beigebracht und mich so viel gelehrt...wenn wir zusammen geblieben wären, hätte ich das so nicht gekonnt und deswegen war das schon gut, das es so gekommen ist.
Trotzdem liebe ich Sandra immer noch sehr und ich wünsche ihr das Beste, was es gibt im Leben und sende ihr alles Liebe und hoffe sehr, dass es ihr gut geht...

Liebe.
So facettenreicht, so erlebnisreich und so lebensformend.




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mel alazza



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