Montag, 16. April 2018

nur einmal geliebt werden

Immer mit dem Versuch, besonders „lieb“ und „gut“ zu sein…

Als ich klein war, 
fühle ich mich immer fehl am Platz, weder willkommen noch in irgendeiner Weise liebevoll aufgenommen, außer bei meinen Großeltern…
trotzdem bemühte ich mich immer und zu jeder Zeit, „lieb“ und „gut“ zu sein bei meiner „Mutter“ und ihrem Freund --- mich anzupassen, nie aufzufallen, alles so zu machen, wie es erwünscht war, erwünscht wurde. Falls ich mich nicht an die Regeln hielt, gab es Schläge. Mit dem Gürtel, dem Schlappen überall auf dem Körper, meist auf den Hintern oder den Oberschenkeln oder auch mit der flachen Hand einfach ins Gesicht… 

Oftmals dachte ich, es macht ihnen besonders Spaß und sie warten nur darauf, dass ich irgendetwas falsch mache und es dauerte nicht lange, bis ich nichts mehr fühlte bei diesen Schlägen, egal wo sie mich trafen. Ich fühlte nichts mehr dabei, wenn sie mir Sachen verboten, das Telefon absperrten oder ich nichts zu essen bekam oder ich doch nicht zu meinen Großeltern durfte am Wochenende, wie eigentlich versprochen. Und wie oft habe ich mir gewünscht, mal richtig krank zu sein oder einfach nur tot, um einmal zu sehen, wie sich das anfühlte oder wie sie reagieren würde. Aber wenn ich dann mal krank war, sollte ich mich nicht so anstellen…

Trotz allem bemühte ich mich, schleppte mit acht, neun und zehn und auch später oftmals z.B. zwei bis drei Wasser- oder auch Bierkisten auf einmal, weil ich ja darum bemüht war, dass ich gefalle, jemand mich akzeptierte und ich endlich einmal gesehen wurde.
Leider kam dies nie, warum auch – es war ja viel einfach meinen Bruder zu sehen und auch zu lieben, der ihn ohne Aufforderung freiwillig in den Arm nahm oder ihn auch freiwillig zur Gute Nacht küsste. 
Ich mochte und wollte das nie, ich musste aber. „Mach das jetzt, sonst schlag ich dich tot“ war der Standardspruch meiner „Mutter“, wenn ich irgendetwas nicht machen wollte und mich wehrte, weil es sich für mich einfach nicht gut anfühlte und auch einfach falsch. 
So wurde nach und nach mein innerer Widerstand gebrochen, ich wurde gebrochen, das Kind gebrochen, der Mensch in mir kaputt gemacht. 

Ich habe mich gewehrt, habe „NEIN“ gesagt, mehrmals und wurde dafür geschlagen, verprügelt und nicht mehr geliebt. Meine eigenen gefühlten und vom inneren Gefühl her, menschlichen Grenzen wurden demzufolge nicht ernst genommen, übergangen und übertreten und meine Wahrnehmung nicht ernst genommen, nicht beachtet. 
Ich wurde verlacht, wenn ich was fragte, als dumm deklariert oder einfach nur, weil ich zu blöd für dies oder das war… oder weil ich ja keine Ahnung hatte, einfach ignoriert.

Welches Kind kann dem Stand halten? 
Welche Gefühle sollen sich dabei ent-wicklen und ent-falten…!? 

Und dann stellt sich doch im Nahhinein die frage:“Wie sollte sich ein Kind dabei und damit kindgerecht und dann auch noch in einer kommenden Pubertät zu einem „normalen“ Erwachsenen entwickeln?

Ich habe mich oft gefragt, was ich den falsch mache, gemacht habe und warum ich so scheiße bin…
irgendwann hörten die Fragen auf und es sind nur noch Sätze wie:

-> „ich habe es ja auch nicht anders verdient“, 

-> „ich möchte tot sein“ oder 

-> „nun streiten sie wieder wegen mir“ und 

-> „ich bin schuld daran, dass ich ständig Ärger bekomme, ich kann ja nichts richtig machen – 

-> „ich bin einfach ein Versager“, wie er das immer sagt… 

geblieben und sich eingebohrt in meinen Kopf. Diese sogenannte Glaubenssätze manifestierten sich und bestimmten mein Leben in jeder Hinsicht.

„Nutzlos“ zu sein, „dumm“, es „nicht wert“ zu sein geliebt zu werden und „ein Versager zu sein“ manifestiert sich und baut Grenzen ab in einem selber und alles an Aufmerksamkeit wird dann dankbar angenommen, egal in welcher Art und Weise! 
Und es wird sich für andere aufgeopfert, weil es auch noch Jahre später darum geht, geliebt zu werden und gesehen und akzeptiert…und der Missbrauch geht heimlich weiter als Erwachsener, unbewusst.

Man wird ständig ausgenutzt, fühlt sich trotzdem gut dabei, mit der Hoffnung, dafür gemocht zu werden und tut wirklich alles dafür, sich gut zu fühlen. 
UND dann gibt es die Männer – und auch Frauen - die auch dies ausnutzen, sich (meistens) Frauen auswählen, die keine Grenzen mehr besitzen und bei der kleinsten Aufmerksamkeit auf sie eingehen und sie ins Bett zu bekommen ist dann ein leichtes, ein gutes Sexspiel zu haben dann auch – und ein sehr befriedigendes oftmals oben drein! 

Viele (missbrauchte) Frauen wissen ganz genau, wie sie was machen müssen, damit der „Typ“ sich gut fühlt und ein Automatismus läuft ab und wird abgespielt und die Gefühle ausgestellt, weil es so sehr vertraut ist und man es einfach kennt – Sex ist doch etwas, was erlernt wurde, im höchsten Maße fast perfektioniert wurde und ich doch gut kann! 
Ganz zufrieden geht er dann und du bleibst zurück, dreckig fühlend im wahrsten Sinne des Wortes und die Dusche wird wieder auf „HEIß“ gestellt und der Körper so heiß abgeduscht, dass er auch nicht mehr fühlbar ist…
auch wenn das Gefühl des „dreckig seins“ niemals erlischt… 

Viele fragen, warum hast du dich nicht gewehrt, warum hast du nichts gesagt…
genau da beginnt Missbrauch, da fängt es an: 

Ich wurde mundtot gemacht, wie eine Maschine eingestellt auf die Wünsche und Bedürfnisse von Erwachsenen zu reagieren und selber keine zu empfinden, zu haben und auch möglichst allen immer still und lieb entgegen zu treten – und wenn dann mal Besuch da war, immer schon lieb und nett zu sein, sich nicht zu beschweren oder etwas von zu Hause erzählen und dann ja die schönen Sachen anzuziehen, die nur dafür gekauft wurden. Die alten und zu kleinen Sachen waren für den Alltag, wo nie irgendetwas reichte und nie genug da war, weder an Kleidung, noch an Möbel, noch an so etwas wie normale Liebe in einer Familie. Die waren wir nur auf Abruf und immer dann, wenn es gebraucht wurde.

Als dumm und zu nichts nütze abgestempelt zu werden, war schlimm. Ständig nicht ernst genommen zu werden, auch. Und immer nicht gesehen zu werden, trug nicht dazu bei, mich in irgendeiner Weise gut zu fühlen oder mich so entwickeln zu können, wie es „normal“ gewesen wäre.

Als ich dann doch gesehen wurde, fing es an sehr sexuell zu werden. 
Wobei es seit meinem sechsten oder siebten Lebensjahr das sowieso war und es sehr oft so war, dass wir weggeschickt wurden, weil meine „Mutter“ und ihr Freund gerade Sex haben wollten oder er ihr vor unseren Augen an die Brust oder den Hintern fasste und ihr dies anscheinend auch noch gefiel. 
Irgendwann fing dieses Verhalten mir gegenüber an und ich wusste nicht, was mache ich nun - ich war komplett überfordert, zumal ich diese Brust an mir nicht mochte und überhaupt meine Entwicklung in keinster Weise richtig wahr nahm, mir dies jemand erklärte oder ich damit was anfangen konnte.

Je sexueller es wurde mir gegenüber, desto mehr nahm das Schlagen ab. 
Irgendwann war auch dies überschritten und ich wehrte mich nicht mehr, stellte mich schlafend – ich wäre so gerne tot gewesen und irgendwann war ich dann nicht mehr in meinem Körper drin und sah mich selber da liegen und dachte, so sieht das also aus, wenn er dich anfasst und du nicht da ist… ich spürte nichts mehr und war einfach nicht mehr da, immer dann, wenn er da war, war ich weg. Spürte nichts mehr, fühlte nichts mehr und war ganz klein und Scham und Schuld erfüllte mich immer mehr. 
Mein Körper reagierte auf seine ungewollten Berührungen und manchmal fand ich es schön – und schämte mich dann sogleich, weil ich dies ja nicht wollte…warum fand ich es dann schön? 
Ich schämte mich so unglaublich und fühlte mich schuldig und gleichzeitig war es doch schön, auch mal beachtet zu werden. 
Ich bekam Aufmerksamkeit und ich fühlte, wie das gut tat – trotz aller schlimmen Erfahrungen. Er legte seine Hand auf meine Brüste, obwohl Besuch, Nachbarn oder auch meine Familie dabei war – er haute mir auf den Hintern und bewunderte die jugendlichen Rundungen und ich war beschämt, schuldig, fühlte mich auch so schuldig „meiner Mutter“ gegenüber und konnte es doch nicht ändern. 
Ich wollte dies alles so nicht und wollte doch geliebt werden, aber nicht so falsch, wie es sich anfühlte. 
Je mehr Aufmerksamkeit er mir schenkte, desto mehr wand sich meine Erzeugerin ab von mir und desto mehr hasste ich mich selber, fühlte Abscheu und langsam merkte ich, was ein Körper für eine Macht gegenüber Männern besaß… 

Ich war schlank, hatte schon sehr früh sehr viel Brust und bemerkte, dass ich genau dafür immer mehr angestarrt und auch je älter ich wurde angemacht wurde, vor allem von älteren Männern. Ich versuchte dies zu ignorieren, konnte damit nichts anfangen und wollte dies auch gar nicht wissen. 
Ich wollte doch nur geliebt werden, mal in den Arm genommen werden…gesehen werden. Und ich trug weite Klamotten, viele hielten mich für dick – ich mich auch - und meine „Mutter“ gab mir Tenuate, damit das Hungergefühl weg geht, ich weiter dünn bin und verriet mir, dass es wichtig ist, was andere über einen denken – und ich wurde stumm. 
Ich fühlte mich wie eine Marionette und tot in mir - mich selber kannte ich nicht, weil dies von den Bedürfnissen von den Erwachsenen überdeckt wurde. 
Ich wurde im höchsten Maße konditioniert, dies habe ich erst vor ein paar Jahren gemerkt. 

Ich versuchte mich in Büchern zu finden, Abenteuer zu erleben, die nicht meine waren und Liebe zu finden in falschen Umarmungen von jungen Männern auf der Behinderten Toilette der Sporthalle, im Wald oder auch einfach mal in meinem Wohnbereich, die endlich mal zum „Zuge“ kommen wollte und in mir ein williges Gegenüber fanden – ein bisschen Aufmerksamkeit und Schwupps, war ich gefangen in der Sehnsucht, geliebt zu werden und sich geliebt zu fühlen, egal wann, egal wo und egal mit wem. 
Doch egal was ich tat, dieses Gefühl, diese Leere in mir blieb und ich merkte nicht, das dieses Verhalten so sehr anerzogen war und ich Liebe mit den falschen Menschen an falschen Orten suchte… und ich gar nicht gemeint war, sondern einfach nur als Bedürfnisbefriedigung diente.

Bis ich irgendwann merkte, dass ich nie gemeint war, dauerte es Jahre – die wirklich zu sehen, auch. Und dies zu spüren, noch länger. 

Eine eigene Wahrnehmung zu entwickeln dauerte bei mir Jahre und war ständig von dem Wunsch überschattet, mich endlich mal zu finden. 
Die Frage, „wer oder was bin ich“ ist mein Lebensbegleiter geworden und hat mein Leben unbewusst immer beeinflusst,
mal mehr und mal weniger stark…
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Mel Alazza, 2018

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