Freitag, 16. März 2018

überfordert



„überfordert“

An manchen Tagen habe ich Termine, an manchen keine. An diesen Tagen erhole ich mich von den Terminen und Anforderungen, die ich an anderen Tagen habe... obwohl es nur normale Termine sind zu Ärzten, Freunden, verschiedene Treffen oder auch Verpflichtungen, selber auferlegt oder „gemusst“... wenn nicht vorher durch ein „nicht können“ ggf. schon abgesagt, warum auch immer.
Jedoch muss ich feststellen, dass ich bei zu vielen Terminen in der Woche, überfordert bin. Einfache Feststellung. Nicht mehr, nicht weniger.
Diese Überforderung zeigt sich durch eine Erschöpfung, welche mich einfach umhaut und lahm legt. Für Stunden. Manchmal Tage...und mich kaum zur Ruhe kommen läßt. Oftmals nett begleitet wird diese Unruhe von anderen Faktoren: Schmerzen am ganzen Körper, Bewegungsstörungen, Vergesslichkeiten und und und -  je nach Form und Stimmung meiner Psyche. Was so kommt, ist eine Überraschung - manchmal ist es dann auch halt „nur“ eine Migräne. Die haut mich dann für ein paar Tage um, möchte dann gerne und möglichst alleine im Dunkeln sein, ohne Telefon und Kommunikation, ohne zu leben am liebsten auch!
Und kurz mal zur Info, hier geht s nicht um ein Jammern oder erklären, wie schlecht es mir jetzt nun mal geht - sondern darum zu vermitteln, was passiert, wenn der Körper, die Psyche und die Seele schlapp macht. Wenn erinnert wird, in vollem Umfang, mit allem, was der Mensch so zur Verfügung hat: Körper, Psyche, Seele, Haut und Haar...bis in den kleinsten Zeh und dem größten Organ des Menschen, die Haut. Alles kann, nichts „muss“ betroffen sein...aber bis man dies erkennt, muss man schon selber ein Spezialist auf dem Gebiet der Folge-Störungen sein, weil man sich selber dann nicht nur wie ein Hypochonder vorkommt, sondern auch von allen anderen so gesehen wird, ob von der Familie, den „besten“ Freunden oder sogar dem Fachpersonal, den Ärzten!
Weil es vieles in unserer Gesellschaft ja nicht so gibt, nicht ernst genommen wird - vor allem die psychische Sichtweise des Menschen.
Eine Amputation im Kopf ist eine Folge-Störung, weil dieser oftmals nur noch sehr eingeschränkt funktioniert. Ich kann nicht mehr lesen, dabei habe ich es immer geliebt - auch Hörspiele gehen nicht mehr, ich verliere den Faden, kriege es nicht hin, zu folgen. Fernsehen geht irgendwie, wobei ich manchmal echt aufpassen muss, dass ich überhaupt die Werbung bemerke oder einfach vergesse, was ich gerade schaue.
Ich vergesse Namen von Menschen, die mir nicht so bekannt sind..und ich vergesse Namen, die ich eigentlich wissen müsste und muss erst einmal eine Weile überlegen, damit ich drauf komme, wie diese Menschen heißen. Beim Schreiben vermischen sich in einigen Wörtern die Buchstaben...ein andermal lasse ich einfach welche weg. Selbst beim nach-lesen erkenne ich dies oftmals nicht, es ist mir unangenehm.
Es ist mir unangenehm, erklären zu müssen, warum ich mit 44 Jahren nicht arbeiten gehen kann. Warum ich mit 44 Jahren schon seit fast zehn Jahren nun krank bin, seit nun fast sechs Jahren nicht mehr arbeiten kann - und was ich genau habe.
Wie erklärt man was, was man selber kaum versteht?
Wie kann einem etwas beeinträchtigen, was schon so lange her ist!? Eigentlich gut „vergessen“ war, nicht mehr erinnert wurde? Worum es geht?
Ach so, ja, das habe ich ja gar nicht erwähnt - es geht um einen langen sexuellen Missbrauch in verschiedenen Formen: psychisch, seelisch, körperlich...und es fing bei mir an mit ca 6/7 Jahren bis ca fast 18 Jahren.
Wieso ich das so explizit erwähne, obwohl DIR diese Erläuterung peinlich ist? 
Weil es genau darum geht - es geht darum, dass DIR es peinlich ist!
MIR dies irgendwie immer noch peinlich ist - ICH mich schäme, weil MIR dies passiert ist. Obwohl ICH eigentlich keinen Grund dazu habe - und  by the way, DU auch nicht!



Also warum schämst DU DICH!? Weil es ein Thema ist, was dir „komisch“ vorkommt?
Stell dir mal vor, ich finde es auch komisch...komisch, weil ich diejenige bin, die nichts verkehrt gemacht hat, es aber sich genau SO immer noch sehr oft anfühlt. Komisch, weil ich erkrankt bin, genau deswegen und überhaupt nichts dafür kann - und man ja eigentlich auch nichts sieht...
Ja, es ist komisch. Es ist komisch, über etwas zu sprechen, was so lange her ist und immer noch Auswirkungen zeigt.Vielleicht auch für immer Auswirkungen hat, ich weiß es nicht. Fakt ist, jetzt hat es Auswirkungen und genau deswegen muss darüber gesprochen werden, nicht nur wegen mir, sondern weil es zahlreiche Betroffene gibt, meist Frauen, aber auch viele Männer. Und jeder schämt sich, fühlt sich schuldig...und ist genau SO wertvoll, wie er/sie ist! Nur wissen die Personen es leider nicht, weil diese Beeinträchtigungen und Behinderungen des erlebten Missbrauchs auch das Selbstbild und den Selbtwert nehmen, sich nichts richtig zugetraut wird. Die Perönlichkeit nicht nur degradiert, sondern oftmals auch ganz zerstört wird - und genau deswegen bitte ich dich: lese genau, was ich schreibe - den es geht nicht nur um mich!
Und ja, ICH bin überfordert - DU bist überfordert - ALLE sind überfordert, die betroffen sind. ABER trotzdem muss darüber geredet werden, weil die Folgen von sexueller Gewalt einfach so vielseitig und vielschichtig sind und jedem Betroffenen die Worte für eine Sprache nehmen, die einfach kaum zu sprechen UND auch zu verstehen ist und zu sagen, „ich wurde missbraucht“ oftmals keinen Raum findet... weil es niemals ein Thema wird.
Genau deswegen schreibe ich darüber, ich mache es zum Thema, weil es zu viele sind. Zu viele, die davon betroffen waren, zu viele, die betroffen sind! Sexueller Missbrauch ist überall und überall gegenwärtig und niemand schaut richtig hin!
Also, reden wir darüber, so schwer es auch fällt und so schlimm es auch ist, denn genau dann, geben wir uns selber eine Sprache, die durch Worte kommt, die wir aussprechen...egal wie vage, egal wie scheu und egal wie sehr diese noch besetzt sind von „ich erzähle mein Geheimnis“ oder wie sehr es noch schmerzt! Gehe hindurch, erzähle deine Geschichte, erzähl deine Wahrheit und fühle sie - erst dann kannst du dir selber glauben, erst dann kannst du dir selber vertrauen UND dann kannst du dich hinstellen und sagen:“ Ja, ich wurde missbraucht -  aber ich bin KEIN OPFER MEHR!







Mel Alazza


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